WANDERBÜHNE
*Und über uns und die Bedeutung unseres Namens*
* Zur Geschichte der Wanderbühne *
* Zur Wanderbühne heute*
Norbert Grund, „Wanderbühne mit Hanswurst“; 29,5×39,8cm; Prag um 1750
(Abbildung mit freundlicher Genehmigung der
Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln)
Und über uns und die Bedeutung unseres Namens
Der Heidelberger Regisseur und Schauspieler Florian Kaiser gründet 2015 eine Wanderbühne. Er gibt ihr den sprechenden Namen Theater Carnivore, ein Beiname von Dionysos, dem antiken griechischen Gott der Maske und der Illusion. Übersetzt heißt Carnivore „der Rohfleischfresser“ und verweist damit auf die unkontrolliert rauschhafte Seite des Dionysoskultes. Freude und Lebenskraft werden darin durch Wein und Liebe gesteigert und das Lachen und die Maskerade entfesselt. Damit gibt der Name nicht nur eine Traditionslinie der Wanderbühne vor, sondern verweist mit Dionysos auch auf den Ursprung des Theaters. Er ist der Wanderbühne eingeschrieben, die von Ort zu Ort bewegt wird und ihr Publikum jeweils an anderer Stelle versammelt. Das verbindet sie mit allen frühen Theatern der Antike, deren Sitzreihen und Bühnen kurzfristig in die Landschaft integriert wurden. Bis hier her und noch weiter zurück in die stark verzweigten Göttergeschichten antiker Mythen kann die Wanderbühne ihre Herkunftslinien ziehen. Und von da ausgehend lassen sich ihrem Erscheinungsbild und ihren Spielformen weitere durch die Jahrhunderte entwickelte Theatertraditionen zuordnen. In Europa etwa ziehen ab dem 15. Jahrhundert Gruppen von Wanderschauspielern durch die Städte und in Norditalien entsteht Mitte des 16. Jahrhunderts die Commedia dell’Arte.
Florian Kaiser entwickelt zusammen mit dem Ensemble seiner Wanderbühne Theater Carnivore eine auf den Körper bezogene überhöhte Form mit doppeltem Boden. Masken und Maskerade spielen in den Inszenierungen eine entscheidende Rolle, um das Fremde und Monströse im Vertrauten aufscheinen zu lassen oder der Poesie einen eigenen Raum zu eröffnen. Anleihen ans Volkstheater mit derben körperbetonten Handlungen gehören ebenso zum Theaterkonzept wie die Ästhetik einer zeitgenössischen Performance. Auch wird der sozialromantische Aspekt einer Wanderbühne von heute in die künstlerische Arbeit integriert. Die Sehnsucht nach ursprünglichen Verhältnissen, die Verbundenheit der Akteure mit ihren Produktionsmitteln, die als unmittelbarer empfundene Kunst in freier Natur werden vom Theater Carnivore als Erweiterung der eigenen Mittel begriffen. Musik, Sound Design und Videoprojektionen vervollständigen den künstlerischen Anspruch und füttern den dionysischen Schein mit wirkungsvollen Effekten.
Johann Christian Vollert: „Wandertheater am Flußufer“ Tempera auf Holz( parkettiert) 20,7 x 30,5 cm um 1750
(Abbildung mit freundlicher Genehmigung der
Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln
Zur Geschichte der Wanderbühne
Zur Geschichte der Wanderbühne
präsentieren wir stolz
DEUTSCHE WANDERBÜHNEN DER FRÜHEN NEUZEIT UND IHRE SPIELORTE
von Esther Pramschiefer, die unsere Arbeit theaterwissenschaftlich begleitet. Wir danken der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln für die Erlaubnis die Abbildungen dazu auf unserer Homepage zeigen zu dürfen.
Foto: Stefan Hartleif
Zur Wanderbühne heute
Wir sehen die Wanderbühne als besondere Theaterform und fühlen uns der Pflege dieses Kulturguts verpflichtet.
Wa s bedeutet das Wort „Wanderbühne“ heute? Welche Bilder entstehen? Welche Narrative gibt es?
Dr. Morticia Zschiesche hat sich für uns mit der Geschichte der Wanderbühne in Bezug auf das Kino beschäftigt und auch ein Liste mit Wanderbühnenfilmen zusammengestellt. Diese Liste Finden Sie hier.
Versuch einer Definition von „Wanderbühne“:
Stellte die Wanderbühne in Europa bis in das 19. Jahrhundert als Urform des Theaters die verbreitetste Ausformung des Theaters dar, so wird die Wanderbühne im 20. Jahrhundert zu einer Sonderform mit heterotopischem Character. Während die historische Wanderbühne als Vorläufer der Stadt-, Tournee- und Privattheater weitgehend in diesen Formen aufging, so existiert sie mit anderer Konnotation als Sonderform des Freien Theaters weiter. Die Wortbedeutung Wanderbühne verweist auf mobile Produktionsmittel und auf das Bespielbarmachen eines Theaterunortes.
Wanderbühnen, die wir bis jetzt gefunden haben
VERBÄNDE
Hier sind die Wanderbühnen, die wir bis jetzt gefunden haben. Manche dieser Wanderbühnen sind in einem der drei Verbände organisiert:
Bundesverband Theater im Öffentlichen Raum
Belangenvereniging Buitentheater
CITI – Centre International pour les Théâtres Itinérants
Diese Verbände setzen zwei verschiedene Schwerpunkte: Den Raum der zum Spielort wird und seine Zugänglichkeit (Öffentlicher Raum) und die Art der Mobilität (Lat: itineror – reisen). Wir setzen hier eine Priorität in der materiellen Ausformung und begreifen die Wanderbühne als fahrende Theaterstruktur.
LITERATUR:
zur Indischen Wanderbühne als Quelle auf Deutsch:
Petra Szemacha: „Tamasa – Wandertheater“ Draupadi Verlag
zur Japanischen Wanderbühne:
Christina Nygren: „Gastar Generaler och Gäckende gudinnor“ , Carlssons
Christina Nygren in „Ethnicity & Identity“ Hg. Ravi Chaturvedi u. Brian Singleton, Rawat Publications
AUSSTELLUNG UND DOKUMENTATION:
In Frankreich gibt es das einzige Museum für fahrende Theater:
http://www.musee-theatre-forain.fr/index.htm
THEATER
Ambulans Théâtre – F- Pferdewagentheater
Arts à Bord – F- Bootstheater
Arts Nomades -F- Wohnwagenbühnen
Babel-Gum – F – Zelttheater
Buehnen Dautenheims – D – Leiterwagentheater
Bustheater – I – Theaterbus
Cie Claap -F- Pferdewagentheater
Cirque La Cabriole – F- Zelttheater
Collectif Festina Lente – Segelboottheater
Comoedia Mundi – D -Zelttheater
Compagnie Ocus – F – Zelttheater
Companie Pas De Deux – CH – Fahrzeug mit Klappbühne
Compagnie SF – F -Zuschauertribühnen/Sitespecific
Das letzte Kleinod – D – Eisenbahntheater
Dromocosmicas – GR – Zelttheater
Entre Deux Averses – F – Wohnwagentheater
Fidelius Waldvogel – D – Bauwagenbühne
Footsbarn Theatre – F -Zelttheater
Herzbaracke – CH -Theaterschiff
La Carrosserie – Caravan Show – F- Wohnwagentheater
La compagnie des 7 Sources – F – Kreistheater
La Fabrique des Petites Utopies -F- Theaterfahrzeug und Zelttheater
La Famille Walili – F- Zelttheater
La Houlala Compagnie – F- Zelttheater
La Meandre – F – Wohnwagentheater
Le Cabaret Nomade – CZ – Zelttheater
Le Rideau Attelé – F- Pferdewagen und Zelttheater
Les ArTpenteurs -CH – Zelttheater
Les baladins du miroir – B -Zelttheater
Les Frères Kazamaroffs -F – Jurte
Les Nouveaux Disparus – B – Zelttheater
Les Six Faux Nez – B – Wohnwagentheater
Le Théâtre Volant – F – Theaterbus
Maraudeurs & Compagnie – F – Wohnwagentheater
Sur les sentiers du théâtre – F
T-âtre IBonillo – F – Theater-Zelt-Lieferwagen
Tanyaszinház -SRB -Karrentheater
Theater Carnivore – D – Stahlklappbühne
Théâtre de la Gargouille – F – Zelttheater
Théâtre Jaleo -F- Amphitheater, Zuschauertribühnen
Théâtre Nomade – MAR – Zelttheater
The Flying Seagull Project – GB- Kastewagen mit Klappbühne
Ton und Kirschen – D – Wandertheater
Tralala Splatch – F – Zelttheater
Traumschueff – D -Theaterschiff
Trib’alt / Théâtre des Chemins – F – Theaterjurte
Waf Waf Production – F -Fahrradtheater
Wir haben die Straßentheater, Installationstheater und Sightspecific-Theater nicht aufgeführt. Die Liste der Wanderbühnen in diesem Sinne zu erweitern ist für die Zukunft wünschenswert und sinnvoll.
Sie kennen eine Wanderbühne, die hier nicht verzeichnet ist? Dann schreiben Sie uns doch bitte.
Markus Schultz : „Wanderbühne“; nachempfunden:
Johann Chr. Vollert: Wandertheater am Flussufer um 1750