WEST-ÖSTLICHER DIVAN
J.W. von Goethe
– Arrangiert und dramatisieret und zur Wiederaufnahme mit Intermezzi versehen von Florian Kaiser –
- Fassung Wiederaufnahme 2023
Eine Annäherung aus der Gegenwart „zu besserem Verständnis“
Schlaflosigkeit und Schreibblockaden treiben den Autor eines Theaterstücks zu Ehren von Johann Wolfgang von Goethe und seinem Alterswerk „West-östlicher Divan“ ins Café der Ewigkeit. Hier, an diesem Ort ohne Grenzen, erhofft sich der Autor, Goethe zu begegnen oder doch zumindest Linderung durch einen Cappuccino. Zweites erweist sich schwieriger als gedacht. Denn zunächst begegnet er einem Bekannten, der sich anders verhält als gewohnt und dazu noch als Dirigent in neuer Aufmachung erscheint. Im Wechsel zwischen den bald rätselhaften Wörtern, bald kritischen Kommentaren des Dirigenten und den entschuldigenden Antworten und betroffenen Nachfragen des Autors entspinnt sich ein aberwitziger Dialog. Bis sich der Dirigent zum persischen Dichter Hafis wandelt. Und mit Goethes Versen auf den Lippen, betritt er das Arbeitszimmer des eingeschlafenen Dichters, um ihn zu wecken.
Die Wanderbühne Theater Carnivore wagt einen doppelten Brückenschlag: Sie baut um die Dichterfigur Goethe, der wieder ein Jahr älter geworden ist und überm Vorwort „zu besserem Verständnis“ seiner letzten großen Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“ sitzt, eine Rahmenhandlung. Mit surrealem Witz, abgründiger Ironie und konfrontierendem Realitätssinn antwortet sie auf des Dichters Lieben und Leiden, seinen Erinnerungen und hoffnungsvollen Wünschen. An der orientalischen Dichtung hat sich Goethe vor über 200 Jahren berauscht und Feuer gefangen für sein geistreiches Migrations-Projekt „West-östlicher Divan“. Mit ihm will er eine Weltliteratur begründen, in dem er die Motive wie die Kunstfertigkeit orientalischer Dichter seiner eigenen Kunst und Lebenswirklichkeit einschreibt als dialogisches Prinzip. Die Wanderbühne Theater Carnivore schließt sich mit Goethes Prinzip kurz und antwortet auf des Dichters Texte und Kontexte mit eigenen Erfahrungen aus der Gegenwart, die der Lebenswirklichkeit der Akteure entsprungen sind.
Es spielen: Kerstin Kiefer, Markus Schultz, Florian Kaiser
Regie: Florian Kaiser
Dramaturgie: Nora Abdel Rahman
Szenografie: Marcela Snášelová
Bauten und Wanderbühne: Motz Tietze
Aufführungsrechte:
Theaterverlag Hofmann-Paul, Berlin
Hintergrund
Wenige Jahre nach der Übersetzung des „Divan“ durch Joseph von Hammer-Purgstall (1812) erscheint Goethes „West- Östlicher Divan“ (1819). In seinem „West-Östlichen Divan“ stellt Goethe die große Frage nach dem Sinn unseres Seins.
„Das eigentliche, einzige und tiefste Thema der Welt- und Menschengeschichte, dem alle übrigen untergeordnet sind, bleibt der Konflikt des Unglaubens und Glaubens.“ (J.W.G., West-östlicher Divan)
Er befragt Sinnesrausch, Liebe und Religion und findet einen beständigen Sinn oder Trost nur in der Poesie. Dem Fremden nähert er sich liebevoll, und bekennt doch, dass ihm manches fremd und kurios bleibt.
Im Gesamten betrachtet stellt der „Divan“ eine außergewöhnliche Kulturleistung dar, denn er ist der Versuch, im Fremden die ureigensten Fragen zu untersuchen und ist Manifest einer Geisteshaltung, in der das Einende im Vordergrund steht. Und so verweist auch der Theaterabend auf das Verbindende in der Suche nach dem eigenen Sein im Fremden und einer Kulturtradition der Annäherung. Geleichzeitig wird aber klar, dass dieser Prozess nie abgeschlossen ist.
Die Inszenierung soll durch humorvolle Leichtigkeit und Schönheit einen unterhaltsamen Zugang zu Goethes Werk bieten.
* Kritik Rhein Neckar Zeitung; 11.06.2019
Premiere „West-östlicher Divan“
„…Kaiser, der auch Regie führt, lässt sich gar nicht erst auf eine breit ausladende, wegen der gewaltigen Materialfülle womöglich ausufernde Bearbeitung des Stoffs ein, sondern spitzt den „Divan“ mit wohlüberlegten Akzenten auf knappe 75 Minuten zu. Die kompakte Fassung reißt einige der wesentlichen Fragen an, die in dem Gedichtzyklus gestellt werden…“
„…Dass er [Goethe] unter einer Maske (von Marcela Snášelová, die auch die Kostüme schuf) agiert, ist ein Kunstgriff, der die Inszenierung prägt. Die artifizielle Physiognomie des Dichterfürsten mit weitaufgerissenen Augen, spitzer Nase und vollen Lippen oszilliert zwischen Melancholie und Komik, die Markus Schultz durch sein Spiel und seine Sprache großartig herauskitzelt. Die Maske relativiert zugleich eine mögliche Überhöhung des „Olympiers“…“
„…wundersame Begegnung der zwei Poeten auf Augenhöhe…“
„…Das „Stirb und werde“-Motiv im „Divan“ wird auf ebenso anrührende wie symbolhafte Weise in Szene gesetzt…“